Burg und Dorf Dill – J. Röhrig

Im Jahre 1897 schrieb der Lehrer a.D. J. Röhrig ein Buch „Burg und Dorf Dill“.
Im Folgenden ist ein Auszug aus diesem Buch als Abschrift von Kurt Kaiser

Burg Dill 1897

Durch den vor einigen Jahren gegründeten Mosel-, Hochwald- und Hunsrückverein kommt auch die letztgenannte dieser Landschaften mehr und mehr zu richtiger Würdigung und damit wohl auch zur Hebung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, wozu die teils schon im Betrieb stehende, teils noch des Baues harrende Eisenbahn ebenfalls beizutragen bestimmt ist.

Der Fremde, welcher sich diese bisher wenig beachtete, dagegen häufig verachtete Gegend ansehen will, erblickt, wenn er die

Provinzialstraße von Kirchberg nach Sohren verfolgt und den Wald Brauschied hinter sich hat, in einiger Entfernung die noch ziemlich ansehnlichen Trümmer einer alten Burg. Es ist die Burg Dill. Die Lokalgeschichtsschreiber des Nahegaues haben derselben nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt, ausgenommen Bodmann und der auf dem Hunsrück geborene Superintendent Back. Beide haben ihre geschichtliche Bedeutung erkannt und mehrere auf sie bezügliche Dokumente der Vergessenheit entrissen. Angeregt durch ihre Mitteilungen, habe ich mich näher mit der Geschichte dieses mittelalterigen Denkmals beschäftigt und beabsichtige, das Ergebnis meiner Bemühungen hier mitzuteilen.

Beschreibung der Ruine

Sie erhebt sich im Sohrbachthal und liegt 5 ½ km Südwestlich von Kirchberg, der früheren römischen Mansio Dumnissus. Der kleine Sohrbach entspringt in drei Quellen auf der Wasserscheide zwischen Mosel und Nahe, welche sich in nordöstlicher Richtung über den Hunsrück hinzieht. Von diesen Quellen kommt die eine von der Höhe hinter dem Dorfe Bärenbach, die andere aus Lautzenhausen, die dritte mit mehr östlicher Richtung heißt Winterbach. Sie vereinigen sich im Dorfe Sohren, welches dem Bache den Namen gibt.

Etwa 3 km südöstlich von da verengt sich das bisher ziemlich flache Thal zu einer Schlucht, indem von Osten her ein Felsvorsprung eintritt. Dadurch wird der Bach genötigt, über Westen und Süden nach Osten auszubiegen, und nach weiterem 1 ½ km langen Laufe wird er vom Kyrbach aufgenommen, der ebenfalls auf jener Wasserscheide entspringt und sich bei Kirn in die Nahe ergießt.

Auf der westlichen und zugleich höchsten Hälfte des Felsvorsprunges befinden sich die Ruinen der Burg Dill, ringsum von einem Teil des gleichnamigen Dorfes umgeben. Durch einen tiefen künstlichen Einschnitt quer durch den Felsen war der Burg ein Abschluss gegeben, und in demselben bildete der Mühlgraben einen schützenden Teich. Dieser und die Stauung des Baches sollte die Verteidigung der Burg erleichtern. Auf der ungedeckt bleibenden Strecke war ein Wallgraben ausgehoben. Der Eingang zur Burg befindet sich auf der Ostseite im südlichen Abhange des Felsens. Die hier über den Mühlbach gelegte Zugbrücke wurde später durch eine gewölbte Brücke ersetzt. Hinter, d. h. auf der Innenseite der Brücke und nach Aussage der alten Leute auch auf der Außenseite derselben befand sich ein Thor. Von dem innern Thore, das 1840 abgebrochen wurde, sind noch Grundmauern vorhanden; auch vor der Brücke bemerkt man noch altes Mauerwerk, das entweder zu dem äußern Thore gehörte oder zur Überwachung der Schleuße des Baches gedient hatte.

Die Brücke (Port) bevölkerte früher der Aberglaube mit Gespenstern, unter denen das Portenkalb die wichtigste Stellung einnahm. Hatte man das Thor passiert, so befand man sich in der Vorburg, in welcher die Häuser des Dorfes standen. Sie hatte auf der südlichen Seite des Burgfelsens zwei, durch eine Mauer geschiedene Terrassen. Das erste Haus links vom Thor ist ein altes Burghaus und Stand früher mit jenem in Verbindung. Es war wohl ursprünglich ein Turm. Unterhalb demselben lehnte sich von außen die Bannmühle an die massiven Grundmauern dieses Gebäudes, von wo aus sich die äußere Ringmauer fortsetzt.

Die ursprüngliche Bannmühle hatte ein einseitiges Dach, wurde aber später umgebaut. Rechts hatte man die hohe Ringmauer der Niederburg, welche trotz ihrer Benennung höher lag, als die Vorburg. Zu ihr gelangt man nach etwa 50 Schritten durch eine ziemlich schmale Öffnung der Ringmauer, wo man noch Spuren einer ehemaligen Pforte wahrnimmt, über welcher der Portner seine Wohnung hatte. Im Pfarrarchive wird der untere Pfarrgarten an der Ringmauer „bei dem Porthäuschen“ bezeichnet. Der steile Aufgang hat nach rechts eine Umbiegung der Ringmauer, links wieder ein altes Burggebäude, das Pfarrhaus, dem weiter nach oben der Alte Schloss Brunnen gegenübersteht. In der Niederburg befindet sich die 1701 auf den Platz der alten Burgkapelle erbaute Kirche, der Turnierplatz und der bis auf 5 m Höhe zerstörte Burgfried. Die Oberburg ist ein unregelmäßiges Viereck, von Mauern und 4 Ecktürmen eingeschlossen und hatte den Eingang auf der, der Niederburg entgegengesetzten Seite. In derselben stehen noch 3 der Seitenmauern des Schlosses und ein Teil des Kellergewölbes.

Die ganze Burganlage ist von Osten nach Westen 250 m lang und von Norden nach Süden 150 m breit, aber mit Einrechnung des gestauten Baches nach jeder Richtung 300 m. Da die Burg von den umliegenden Höhen überragt wird, so ist die Aufsicht ziemlich beschränkt. Nach Norden überblickt man zunächst eine ebene Wiesenfläche, vom Bach und Mühlbach durchschlängelt. Hier befanden sich 3 Fischteiche, einer derselben mit einer künstlichen Insel. Erst vor wenigen Jahren sind die Dämme eingeebnet worden. In den hinter der Wiesenfläche ansteigenden Feldern wurde eine römische Wohnstätte aufgefunden. Aus dem 1 km entfernten Walde, welcher die Aussicht abschließt, tritt die von Drusus erbaute römische Heerstraße, welche in einer 4 km langen Stecke in westlicher, etwas nach Süden abweichender Richtung dem Gemeindebezirk Dill angehört. Jenseits des Waldes standen Am Kyrbach die von Ausonius in der „Mosella“ erwähnten Tabernen. Die dort über den Kyrbach und die diesseits über den Sohrbach führenden römischen Brücken sind nicht mehr vorhanden. Letztere wurde 1814 niedergelegt, obschon dem Gemeindeinteresse besser gedient worden wäre, wenn man die Ausgabe für die unbedeutende Reparatur nicht gescheut hätte.

Über den Kyrbach ist später, wahrscheinlich wegen der dort befindlichen Eichmühle, nahe an der alten Stelle eine Holzbrücke erbaut worden. Durch die Römerstraße (Steinstraße genannt) wird der Wald in 2 Teile geschieden. Der uns nach rechts liegende hieß Dill (Dillholz), war zur Burg gehörig und nach einem alten Weistum 180 Morgen groß. Der links liegende hieß Brauschied und soll nach diesem Weistum der Stadt Kirchberg gehört haben. Jetzt führt der ganze Wald den Namen Brauschied und ist Staatswald.

Links der Römerstraße befindet sich darin ein ausgedehntes Grabfeld. In der Richtung nach Büchenbeuren, wo die Römerstraße, diesseits vom Sohrbache allmählich ansteigend, beinahe den höchsten Punkt erreicht, ist 2 ½ km vom Bache entfernt, in einem Walde auf der linken Seite der Straße ein System von Dämmen, in welchen eine römische Befestigung zu vermuten ist. Da das 7 km entfernte Kirchberg sichtbar ist, wird hier eine Signalstation (Prätorium) und zugleich eine Mutation (Pferdewechsel) befunden haben. In geringerer Entfernung vom Bache deuten Fundamente auf Gebäude.

Von der Burg Dill aus erblicken wir auch den 1200 m bachaufwärts gelegenen Niedersohrener (Neuenburger) Hof. Dort wurden einige römische Skulpturen, ein Säulenschaft, eine römische Schelle und viele Ziegelstücke gefunden, auf dem gegen überliegenden „Höfchen“ aber Gefäße und Geräte aus der Steinzeit.

Auf der wasserreichen Anhöhe im Westen der Burg ist der jetzt verschüttete Pfingstbrunnen, von welchen eine Röhrenleitung nach derselben geführt worden war. Um ihn versammelte sich in den vorigen Jahrhunderten die Diller Bevölkerung am Pfingstfest, um ein vorher im Wasser getauchtes Stück Brot zu verzehren. Die 7 km von hier entfernte, schon erwähnte moselanische Wasserscheide, welche von 843 bis 870 die Grenze Deutschlands gegen Lothringen bildete, ist hier nicht sichtbar, da sie durch näher liegende Höhen verdeckt wird.

Auf einer dieser Höhen (Birkenhöhe) befindet sich ein großer Grabhügel, in welchem man vor mehreren Jahren, als man einen Fuchs ausgraben wollte, eine goldene Spange fand; in der Nähe war ein einzelnes römisches Grab, das eine Urne und einige andere Gefäße enthielt.

Die südliche Aussicht wird durch den Walddistrikt „Heck“ begrenzt (1200 m) und hinter demselben machen die Kesselerstraße die Grenze des Gemeindebezirks (1500 m). Sie wird bei uns gewöhnliche Poststraße genannt und mit dem einige 100 Schritte weiter zurückliegenden Wege der ersten deutschen Post verwechselt, welche Kaiser Maximilian I.   1516 zwischen Wien und Brüssel errichtet und dem Grafen Franz von Thurn und Taxis als Generalpostmeister übertragen hatte. Ihre hier in Betracht kommenden Stationenwaren: Kreuznach, Eckweiler, Laufersweiler, Haag, Büdlich und Trier. Beide Straßen kreuzen sich im Dorfe Schwerbach.

Gegen Osten liegt dicht vor der Burg der von ihr nicht eingeschlossene Teil des Dorfes Dill mit dem alten Brauhause, sowie dem Oster- und Johannisberg. Auf den mehr zurückliegenden Feldern Geisacker und Dietzenacker auf Bann Sohrschied waren in der Nähe einer Traverse einige römische Niederlassungen, und in weiter Ferne erblickt man den Turm der Ruine Koppenstein auf dem Soongebirge.